Franz-Josef Degenhardt - In den guten alten Zeiten video free download


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Duration: 06:13
Uploaded: 2011/11/14

Dort im Südrandkrater, hinten an der Zwischenkieferwand,

wo im letzten Jahre noch das Pärchen Brennesseln stand,

wo es immer, wenn der Mond sich überschlägt, so gellend lacht,

drüben haust in einem Panzer aus der allerletzten Schlacht

jener Kerl mit lauter Haaren auf dem Kopf und im Gesicht,

zu dem, wenn es Neumond ist, unser ganzer Stamm hinkriecht.

Jener schlägt ein Instrument aus hohlem Holz und Stacheldraht

und erzählt dazu, was früher sich hier zugetragen hat

in den guten alten Zeiten.

Damals konnte, wer da wollte, auf den Hinterkrallen stehn.

Doch man fand das Kriechen viel bequemer als das Aufrechtgehn.

Der Behaarte sagt, sie seien sogar geflogen, und zwar gut.

Aber keiner fand je abgebrochene Flügel unterm Schutt.

Über Tage und in Herden lebten sie zur Sonnenzeit,

doch zum Paaren schlichen sie in Höhlen, immer nur zu zweit.

Ihre Männchen hatten Hoden und ein bißchen mehr Gewicht,

doch ansonsten unterschieden sie sich von den Weibchen nicht

in den guten alten Zeiten.

Damals wuchsen fette Pflanzen überall am Wegesrand,

doch sie abzufressen galt als äußerst unfein in dem Land.

Man verzehrte Artgenossen, selbst das liebenswerte Schwein,

doch die aufrecht gehen konnten, fraß man nicht, man grub sie ein.

Manchmal durfte man nicht töten, manchmal wieder mußte man.

Ganz Genaues weiß man nicht mehr, aber irgendwas ist dran.

Denn wer Tausende verbrannte, der bekam den Ehrensold,

doch erschlug einen einz'lnen, hat der Henker ihn geholt

in den guten alten Zeiten.

Wenn ein Kind ganz nackt und lachend unter einer Dusche stand,

dann bekam es zur Bestrafung alle Haaren abgebrannt.

Doch war's artig, hat's zum Beispiel einen Panzer gut gelenkt,

dann bekam es zur Belohnung um den Hals ein Kreuz gehängt.

Man zerschlug ein Kind, wenn es die Füße vom Klaver zerbiß,

doch man lachte, wenn's dem Nachbarkind ein Ohr vom Kopfe riß.

Blut'ge Löcher in den Köpfen zeigte man den Knaben gern,

doch von jenem Loch der Löcher hielt man sie Hieben fern

in den guten alten Zeiten.

Alle glaubten an den unsichtbaren gleichen Manitu,

doch der Streit darüber, wie er aussah, ließ sie nicht in Ruh.

Jene malten ihn ganz weiß und andre schwarz oder gar rot,

und von Zeit zu Zeit, da schlugen sie sich deshalb einfach tot.

Ob die Hand ganz rot von Blut war und die Weste schwarz von Dreck,

das war gleich, wenn nur die Haut ganz weiß war, ohne jeden Fleck.

Und den Mischer zweier Farben federte und teerte man

oder drohte ihm für nach dem Tode Feuerqualen an

in den guten alten Zeiten.

Und wer alt war, galt als weise, und wer dick war, galt als stark.

Und den fetten Greisen glaubte man aufs Wort und ohne Arg.

Und wenn Wolken sich am Abend färbten, freute man sich noch,

und man fraß ganz ruhig weiter, wenn die Erde brandig roch.

Denn vom Himmel fiel noch Wasser, und die Sonne war noch weit,

und der große Bär, der schlief noch, in der guten alten Zeit.

Und die Erde drehte sich nicht plötzlich rückwärts und im Kreis.

Doch man schaffte rüstig, bis es dann gelang, wie jeder weiß.

Und da war Schluß mit jenen Zeiten,

mit den guten alten Zeiten.

Und so hocken wir bei Neumond an der Zwischenkieferwand,

wo im letzten Jahre noch das Pärchen Brennesseln stand.

Und wir lauschen dem Behaarten, der sein Instrument laut schlägt.

Und wir lauschen, lauschen, lauschen nächtelang und unbewegt.

Und wir träumen von den guten alten Zeiten und dem Land,

wo man überall und jederzeit genug zu fressen fand.

Unsre Stammesmutter streichelt unser Jüngstes mit den Zehn,

manchmal seufzt sie: „O ihr Brutgenossen, war das früher schön

in den guten alten Zeiten."

Comments

8 years ago

Juergen Krabbe

...gruß aus beverungen. ne goile 60 ziger jahre partie gefeiert. zwei stunden schlaf und dann in den wald.VENCEREMOS JUE

9 years ago

Michael Kuelpmann

Danke.

9 years ago

Christian Ständer

als ich am halse hochgezogen , wusste ich wie schwer der Arsch gewogen...

9 years ago

Nightfly1957

R.I.P.

9 years ago

Nightfly1957

Geiler Typ, besonders die Schimpflitanei.....wenn ich dann am Galgen häng, und mir wird der Hals zu eng, weiss nur ich wer da so log und wie schwer der Arsch mir wog.

10 years ago

Wieslawa Marcinkowska

Es wäre ihm zu wünschen, dass er auch als Künstler überdauert. Verdient hat er es allemal.

10 years ago

tscheckmet

Das bleibt einer meiner "liebsten" (ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber ein anderes fällt mir spontan nicht ein) Degenhardt-Titel ... nach wie vor aktuell und das wird sicher noch eine Weile so bleiben.

10 years ago

Brent Yves

Du scheinst gewaltige Dissonanzen in dir zu er-leben? FJ Degenhardt hat als Anwalt Linke und sogar. "Terroristen" verteidigt, als einer der wenigen, der sich immer für Unterdrückte und andere gesellschaftliche Aussenseiter eingesetzt hat und ein Liedgut und Texte geschaffen, das einmalig ist und uns allen Mut macht, weiter zu kämpfen, um lebens- wie liebenswerte wichtige Veränderungen in einer immer trostloseren und EGO- wie einseitig "Wirtschafts-" gesteuerten Gesellschaft einzufordern, ..!

10 years ago

Brent Yves

wird immer aktueller

10 years ago

Jipi Japa

Er war schon ok, maul nicht so rum.

11 years ago

Gottfried STRASSER

Für mich bleibt er einer der bessten Liedermacher der deutschen Sprache.

11 years ago

MegaLeica

Der Klassiker : Ein verwöhntes Bürgerkind übt die Revolution FJD hat seit seines Lebens von Allmosen,des Mittelstandes gelebt etwas wirklich wirksames zur Befreiung des " Proletariats"hat er nicht geschafft ! Er hat sich lieber mit schönen Frauen und Rotwein im Bourguasem Leben in der Toskana dem Klassenkampf entzogen!°Phui Deibel der war weis Gott kein Linker! Er war ein Pseudolinker ,der nie sein priviliegiertes Leben zugunsten der Arbeiterklasse aufgegeben hat !

11 years ago

Eiscakeman

Achja, die guten alten Zeiten ....

12 years ago

Gata Negra

hasta la vista, franz - und danke fürs hochladen, 5kurze2euro :)

12 years ago

McJacklburgh

Ruhe in Frieden.

12 years ago

CasinoNews

Nice :-)

12 years ago

Andre Schmidt

Eigentlich traurig, wie aktuell deine Lieder heute noch sind. Mach es gut, Väterchen Franz...

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